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Müde

Warum sind wir dauerhaft müde? 

Anhaltender Dauerstress, die Verschiebung der Zeiten, die Auswirkungen der Coronapandemie: Forscher untersuchen, warum sich eine wachsende Anzahl von Menschen immer weniger vital fühlt – und stoßen auf erstaunlich vielfältige Gründe.

Die immer zunehmende Müdigkeit

Wenn man auf der Webseite “Google Trends” recherchiert, wie oft der Ausdruck “I am tired” (“Ich bin müde”) gegoogelt wurde, wird eine Kurve sichtbar, die an die Kursentwicklung einer äußerst erfolgreichen Aktie erinnert: Seit 2004 wurde weltweit zunehmend nach diesem Satz gesucht, und in diesem Jahr erreichten die Suchanfragen vorläufig ihren Höhepunkt.

Ein “deprimierender Trend”, wie ihn kürzlich ein vermutlich sehr erschöpfter Mitarbeiter des Magazins “Vice” auf Instagram beschrieb. Tatsächlich bestätigen Umfragen diese Google-Statistik: Im vergangenen Jahr gaben drei von fünf befragten US-Amerikanern an, sich so erschöpft zu fühlen wie noch nie zuvor.

Dauerhafte Erschöpfung im Alltag

Müdigkeit sollte dabei nicht mit der weit schlimmeren Fatigue verwechselt werden, die Menschen mit Krebs, ME/CFS oder Long Covid ans Bett fesseln kann. Die meisten Menschen, die diesen Begriff googeln, meinen wahrscheinlich auch nicht das behagliche Schlafbedürfnis, das einen am Abend nach einem gelungenen Tag überkommt. Oft handelt es sich eher um ein Gefühl, bei dem die Grenzen zur Erschöpfung verschwimmen.

Mann schläft am Arbeitsplatz

In Deutschland sieht die Situation nicht besser aus als in den USA: Eine repräsentative Umfrage, durchgeführt vom Beratungsunternehmen Auctority in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsunternehmen Civey, ergab, dass 49,5 Prozent der deutschen Bevölkerung sich selbst als erschöpft bezeichnen. Bei den 30- bis 40-Jährigen waren es sogar 73 Prozent.

Die Hauptursachen von dauerhafter Müdigkeit

Schlafdefizit in der Nacht

Es existieren ebenso Erkrankungen, die anhaltende Erschöpfung bewirken können. Narkolepsie, bekannt als Schlummersucht, zählt zu diesen potentiellen Auslösern. Ebenso empfinden Rheuma-, MS-, Parkinson- und Krebspatienten häufig anhaltende Erschöpfung.

Ähnliches erleben zahlreiche Personen, die unter Depressionen leiden. Ferner verspüren viele Menschen auch nach einer Coronainfektion über Wochen oder sogar Monate hinweg anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und eine eingeschränkte Belastbarkeit.

Jedoch stellt auf den ersten Blick die häufigste Ursache für anhaltende Müdigkeit etwas Alltägliches dar: Schlafmangel.

Jegliche Einflüsse, die den empfindlichen Rhythmus zwischen Wachsein und Schlaf nachhaltig beeinträchtigen, können zu Schlafproblemen und infolgedessen zu chronischer Erschöpfung führen. Nicht selten ist anhaltender Stress die Wurrsache.

Dennoch können ebenso unregelmäßige, insbesondere nächtliche Mahlzeiten, helles Straßenlaternenlicht vor dem Fenster, Fluglärm, Schichtarbeit, exzessives Handy-Geswische oder ein sehr unregelmäßiger Lebensrhythmus zur Problematik beitragen.

Kontinuierlicher Stress und das Hormon Cortisol

Das Stresshormon Cortisol verleiht uns Wachheit, steigert unsere Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Der Cortisolspiegel im Blut folgt einem natürlichen Tagesrhythmus, der morgens vergleichsweise hoch und abends niedrig ist, um uns einen erholsamen Schlaf zu ermöglichen.

Zwischen diesen Phasen setzen die Nebennieren in Abständen von eineinhalb Stunden zusätzliche Cortisolspitzen frei, die unsere Wachheit im Laufe des Tages variieren lassen. Dies erklärt beispielsweise das oft spürbare Tief am frühen Nachmittag.

Jedoch, wenn chronischer Stress unser ständiger Begleiter ist, produzieren die Nebennieren derart viel Cortisol, dass der Grundspiegel des Hormons ansteigt. Die aktivierende Wirkung des Stresshormons kann sich schließlich umkehren und negative Auswirkungen auf unser Gehirn haben.

"Es kann dazu führen, dass synaptische Verbindungen im Gehirn gekappt werden, was zu Beeinträchtigungen der neuronalen Netzwerke führt und nahezu neurodegenerativen Veränderungen ähnelt", erklärt Oster. Die Konsequenz davon ist schwere Müdigkeit und Erschöpfung.

Tatsächlich geben viele Menschen, die sich anhaltend müde und erschöpft fühlen, chronischen Stress als Ursache an, vor allem im beruflichen Kontext aufgrund von ständigem Zeitdruck, Konflikten mit Vorgesetzten und der Doppelbelastung von Arbeit und Familie.

Die permanente Reizüberflutung durch digitale Medien, Zukunftsängste und finanzielle Sorgen tragen ebenfalls zu dieser Belastung bei. Kallweit ist überzeugt, dass seit Beginn der Pandemie das Stressniveau vieler Menschen stetig gestiegen ist, und viele von ihnen haben ihre psychischen Belastungsgrenzen erreicht.

Stickige Luft und Sauerstoffmangel

Im menschlichen Gehirn vollzieht sich die Müdigkeit vorwiegend in der Wechselwirkung zwischen dem Hirnstamm und der Großhirnrinde. Wenn in diesem Bereich ein Netzwerk von Neuronen aktiv ist, das den Neurotransmitter Noradrenalin für die Signalübertragung nutzt, befinden wir uns in einem Zustand höchster Aufmerksamkeit und Aktivität, erklärt Henrik Oster, Leiter des Instituts für Neurobiologie an der Universität Lübeck. "Das Wach-System ist dann auf höchste Schärfe eingestellt."

Wenn hingegen die Aktivität dieses Netzwerks nachlässt, sind wir weniger in der Lage, äußere Reize effizient zu verarbeiten. Die Konzentration schwindet, die Reaktionszeiten verlängern sich, und es treten Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung auf. "Das ist es, was wir als Müdigkeit wahrnehmen", erklärt Oster.

Schlafmangel als immer zunehmender Trend

Eine Vielzahl dieser Problematiken hat seit 2004 signifikant zugenommen, und es gestaltet sich zunehmend anspruchsvoll, einen gesunden Schlaf zu finden. Die durchschnittliche nächtliche Schlafdauer hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten um bis zu 30 Minuten reduziert.

“Was letztendlich fehlt”, erläutert Schlafmediziner Ulf Kallweit, Professor für Narkolepsie- und Hypersomnolenzforschung an der Universität Witten/Herdecke, “ist die letzte Phase des REM-Schlafs, die entscheidend für Gedächtniskonsolidierung, emotionale Verarbeitung und die Entwicklung des Gehirns ist.” Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind derzeit noch weitgehend unerforscht.

Müdigkeit am Arbeitsplatz

Zu wenig Schlaf in der Nacht als Ursache für Müdigkeit

Häufig sind uns die Faktoren, die uns wach halten oder nach einer vermeintlich ruhigen Nacht erschöpft aufwachen lassen, unbekannt. Viele Menschen sind sich nicht einmal der grundlegenden Bedeutung eines erholsamen Schlafs für ihr Leben bewusst. “Es ist von entscheidender Bedeutung, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Schlaf nicht einfach ignoriert werden kann”, betont Kallweit. “Schlaf bedeutet nicht bloß, das Licht im Gehirn vorübergehend auszuschalten, sondern er erfüllt zahlreiche essenzielle Funktionen.

Viele Bereiche des Gehirns sind während des Schlafs sogar aktiver als während der Wachphasen. Schlaf ist von zentraler Bedeutung für die menschliche Gesundheit, insbesondere für die Gesundheit des Gehirns.”

Schlafdefizit führt zu Gedächtnisproblemen, Gewichtszunahme und Gesundheitsproblemen

Für Forschende gibt es die Vermutung, dass während des Schlafs eine Art Rücksetzung des neuronalen Netzwerks im Gehirn stattfindet, wodurch das Nervensystem am folgenden Morgen wieder anpassungsfähiger und aufnahmefähiger für neue Reize ist.

Angemessener und qualitativer Schlaf spielt eine entscheidende Rolle dabei, neu Erlerntes im Langzeitgedächtnis zu verankern. “Wenn Sie eine umfangreiche Vokabelliste lernen und dann in der folgenden Nacht nicht schlafen”, bemerkt Oster, “dann war dies letztendlich verschwendete Zeit.”

Darüber hinaus wird insbesondere während des Schlafs das “glymphatische System” aktiv, eine Art Müllabfuhr des Gehirns. Durch diese winzigen Kanäle werden während des Schlafs Proteine, die sich im Gehirn angesammelt haben, abtransportiert, wie beispielsweise das Beta-Amyloid, das eine bedeutende Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit spielt. Ein Schlafmangel erhöht das Demenzrisiko erheblich.

Gesundheitliche Risiken von Schlafmangel

Auch das Risiko für Herzinfarkt, Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht nimmt zu. Ebenso ist ausreichender und qualitativer Schlaf für ein starkes Immunsystem unentbehrlich. Personen, die zu wenig schlafen, neigen im Winter häufiger zu Erkältungen.

Wenn Schlafmangel anhält, kann ein Teufelskreis entstehen: Der Spiegel des Stresshormons Cortisol im Blut steigt an und beeinträchtigt unseren Schlaf weiter.

Stress und Müdigkeit

Das Licht beeinflusst und unterbricht unseren Schlaf-Wach-Rhythmus

Wenn unser innerer Taktgeber, der zirkadiane Rhythmus, gestört wird, kann dies zu Schlafproblemen und anhaltender Erschöpfung führen. Die Aktivität unserer Nervenzellen, die für unser Wachsein und Müdigkeit verantwortlich sind, unterliegt der Regulierung durch dieses übergeordnete biologische Uhrwerk.

Das Hauptkontrollzentrum unseres Schlaf-Wach-Rhythmus im Gehirn ist der sogenannte suprachiasmatische Nukleus (SCN), der als eine Art zentrale Uhr fungiert und Signale an untergeordnete Steuerzentren sendet.

Es ist von großer Bedeutung zu verstehen, dass dieser zirkadiane Rhythmus stark von Licht beeinflusst wird. Wenn es tagsüber hell wird, gelangen Lichtreize aus unseren Augen zum SCN. Dieser wiederum aktiviert eine Region im Hirnstamm, die über das aufsteigende Erregungssystem Signale an die Großhirnrinde sendet, die uns wach und aufmerksam macht.

Ratgeber gegen Müdigkeit

Zu viel blaues Licht vor dem Schlafen

Wenn abends das Lichtsignal fehlt, schaltet der SCN auf einen anderen Nervenkern um, der die Wachsignale dämpft. Gleichzeitig beginnt die nächtliche Dunkelheit die Zirbeldrüse (Epiphyse) zur Ausschüttung von Melatonin anzuregen, einem Hormon, das unserem Körper signalisiert: Jetzt ist es Zeit zur Ruhe zu kommen.

Allerdings werden die natürlichen Unterschiede zwischen Tag und Nacht immer mehr durch künstliches Licht verwischt. Die Melatonin-Produktion ist besonders anfällig für Störungen.

Wenn beispielsweise nachts das Licht eingeschaltet wird und einen hohen Anteil an blauem Licht enthält, fällt der Melatoninspiegel innerhalb weniger Minuten ab, und das Signal zum Schlafen geht verloren. Dies kann das Wiedereinschlafen erschweren. Aus diesem Grund wird empfohlen, abends und nachts nur warmes Licht mit einem hohen Anteil von rotem Licht zu verwenden.

Die Zeitumstellung als Übeltäter

Auch die Zeitsynchronisation kann bei einigen Individuen zu Erschöpfung führen, so äußert Oster. »Die Praxis, unsere biologischen Rhythmen zweimal im Jahr unnötig zu desynchronisieren, finde ich höchst fragwürdig «, erklärt er,» dies erscheint gänzlich zwecklos.« Gerade jetzt im Herbst, kurz vor der bevorstehenden Rückkehr zur regulären Zeit, fühlen sich zahlreiche Menschen morgens müde.

Müde oder Fit im Alltag

Jugendliche können montags unter Jetlag leiden

In der Pubertät sind viele Jugendliche natürliche Langschläfer. Schon unter normalen Umständen wird frühes Aufstehen für sie zur Qual. Vor allem, wenn sie am Wochenende in einen anderen Schlafrhythmus fallen: Etwa, wenn sie Nächte durchfeiern und bis mittags schlafen, dann müssen sie montags gegen starke Müdigkeit ankämpfen – vergleichbar mit dem Gefühl von Fernreisenden, die einen Jetlag haben.

Wer über lange Zeit einen sehr unregelmäßigen Lebensrhythmus hat, bis spät in die Nacht arbeitet, viel reist, viel feiert, dem geht es auch noch als Erwachsener ähnlich. Auch große nächtliche Mahlzeiten stören unsere innere Uhr.

Video: Warum bist du immer Müde? Es gibt viele Gründe: 

Schichtarbeiter und Schlafrhythmus

Von Menschen, die in Schichtarbeit tätig sind, ist bekannt, dass sie im Laufe der Zeit ihren zirkadianen Rhythmus verlieren. Sogar während des Lockdowns während der Pandemie gerieten viele Menschen aus dem Takt ihrer täglichen Routine.

Müde Arbeiten

Das Leben gegen die innere Uhr hat Konsequenzen: Es führt zu anhaltender Erschöpfung, und zahlreiche epidemiologische Untersuchungen belegen, dass ein sehr unregelmäßiger Lebensstil und Montagmorgen-Jetlag das Risiko für Diabetes und psychische Erkrankungen erhöhen.

Kallweit hält es daher für dringend geboten, die Förderung ausreichenden und qualitativen Schlafs endlich zu einer prioritären Maßnahme im Gesundheitsbereich zu machen. “Die meisten Menschen sind sich der Gefahren eines hohen Cholesterinspiegels und von Bluthochdruck bewusst”, erklärt er. “Aber wenn ich ihnen mitteile, dass dauerhafter Schlafmangel ihr Demenzrisiko verdoppelt, sind sie oft überrascht. Hier müssen wir dringend ein Bewusstsein schaffen.”

Produktvergleich: Natürliche Schlafmittel mit Melatonin

Hochwertige natürliche Schlafmittel enthalten in der Regel auch Melatonin. Da eine gesunde Schlafregulation von vielen Faktoren abhängt, sind Kombinationspräparate einzelnen Wirkstoffen oft überlegen.

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